Siegfried Hubert
Rassekaninchenzucht im Westerwald 

Zucht  

Riesenkaninchenzucht hat eine lange Tradition - auch im Westerwald. Züchten bedeutet das Erbbild eines Tieres nach dem vorgegebenen Zuchtziel zu verändern und zu festigen. Die Genetik hilft uns hierbei, aber ohne Fingerspitzengefühl und auch manchmal etwas Glück wird man nicht erfolgreich sein. Manche Züchter vertreten z.B. die Ansicht, Fehler seien durch entgegengesetzte Merkmale auszugleichen. Dies stimmt nur bei polyfaktorieller Vererbung. Ein in der Literatur häufig angeführtes Beispiel ist die nach links gerichtete Blume, die mit einem Tier, das eine nach rechts getragene Blume hat, ausgeglichen werden kann. Der Versuch wird fehlschlagen. Der Fehler ist nicht ausgeglichen, es ist aber eine neue Spalterbigkeit hinzugekommen. Eine geeignete Methode wäre die Verdrängungszucht. Man kreuzt ein fehlerhaftes Tier mit einem fehlerfreien und verwendet nur die fehlerfreien Tiere für die Zucht. Wenn man dann die Übrigen auf das einwandfreie Elterntier zurückpaart und dies so lange wiederholt, bis alle fehlerhaften Merkmale überwunden sind, dann hat man den Fehler verdrängt. 

Als moderne Zuchtmethode gilt die Linienzucht. Wenn es schief geht, dann war es Inzucht und wenn man Erfolg hat, dann war es Linienzucht. Wir betreiben gemäßigt Linienzucht. Wir kaufen aber auch immer wieder gute Zuchttiere dazu und probieren so die Zucht unserer Riesenkaninchen immer weiter zu verbessern.
Bei der Riesenzucht kommt es aber nicht nur auf den Standard an. Natürlich sollte ein Zuchttier dem Standard möglichst nahe kommen und natürlich möchte man auf Ausstellungen auch erfolgreich sein. Es kommt in der Zucht aber auch auf andere Werte an. Gerade von Riesenkaninchen erwarten wir große Würfe, gute Milchleistung und eine gute Futterverwertung. Diese Eigenschaften kann der Preisrichter nicht messen. Trotzdem sollte gerade diesen Eigenschaften mehr Beachtung geschenkt werden.  

Es gibt bei fast jeder Kaninchenrasse absolute Spitzenzüchter mit großen (für einen Anfänger manchmal etwas abschreckenden) Zuchtanlagen mit achtzig oder mehr Stallungen. Im Leben dieser Zuchtfreunde dreht sich fast alles um die Rassekaninchenzucht, die Leidenschaft bestimmt ihr Leben. Züchter- und Ausstellungsbesuche, Versammlungen und verschiedene organisatorische Aufgaben prägen den Jahresverlauf dieser überzeugten Züchter. Sie führen ein Leben für ihre Kaninchen. Das ist gut so, aber zeitaufwendig und diese Zeit hat eben nicht jeder.
Manche Züchter haben 15 bis 30 Ställe. Dies macht nicht so viel Arbeit, reicht aber aus, wenn man sich auf eine Rasse konzentriert. Mit etwas Glück kann man auf dieser etwas kleineren Basis sogar im oberen Drittel „mitschwimmen“. Selektion, optimale Pflege und ein „gutes Auge“ sind hier besonders wichtig. Es gibt viele Beispiele für kleine, aber sehr erfolgreiche Zuchten, die über Jahrzehnte das Bild ihrer Kaninchenrasse mitprägen. 

Wir halten nur so viele Tiere wie wir für eine geordnete Zucht brauchen. Die Größenordnung soll zur Größe unseres Gartens passen. Wir können so den Mist vollständig selbst verwerten und der Garten liefert genug Grünfutter für die Tiere. Wahrscheinlich werden wir so nie Deutscher Meister, aber wir haben schon einige Male auch V-Tiere auf den Ausstellungen gezeigt. Dies genügt uns vollständig, weil das Züchten für Ausstellungen bei uns nicht im Vordergrund steht. Zu sehen, wie gesunde kleine Riesen heranwachsen und einfach Freude daran zu haben ist bei uns das Wesentliche. 

Man kann aber auch in kleinem Rahmen mit acht bis zwölf Buchten anfangen. Dies macht nicht viel Arbeit - zwei oder drei Würfe, die besten Jungtiere behalten, warum nicht? Mit etwas Glück kann sich der Erfolg sogar hier einmal auf höherer Ebene einstellen. Was aber jedem Züchter mit dieser minimalen Basis klar sein sollte: Einer Rasse den eigenen Stempel aufdrücken oder spezielle Rassemerkmale verbessern etc. – das geht bei dieser Art der Zucht eigentlich nicht. Doch dieses hohe Ziel will und muss nicht jeder Züchter erreichen. Die Freude an schönen Kaninchen kann man auch hier erleben und bei dieser Größenordnung kann man durchaus ohne großen Aufwand in den Urlaub fahren. Es findet sich immer jemand in der Nachbarschaft oder im Verein, der die Tiere versorgt. 

Natürlich gibt es auch viele Kaninchenhalter, die ebenso ihre Freude an ihren Kaninchen haben, an Jungtieren, an der Aufzucht und natürlich am leckeren Kaninchenbraten. Diese Menschen kennen sich oft schon gut mit Kaninchen aus. Der Schritt zum Rassekaninchenzüchter ist eigentlich nicht mehr so weit. Auch Rassekaninchen lassen sich durchaus in der Küche nutzen. Unsere Riesenkaninchen bereichern unsere Küche jedenfalls sehr. 

Eigentlich ist es nicht so wichtig, wie groß eine Rassekaninchenzucht ist, oder ob man nun Halter oder Züchter ist. Wichtig scheint mir die Ganzheitlichkeit, die in dieser Freizeitbeschäftigung steckt, zu erkennen. Wer einen Garten hat, der hat auch „Gartenabfälle“, die ein hervorragendes Kaninchenfutter darstellen, wobei ein Kaninchen natürlich keine Biotonne ist. Ich habe noch nie so ganz verstanden, warum so viele Menschen wöchentlich oft widerwillig den Rasenmäher durch den Garten schieben. Der Schritt zu einer blühenden Wiese ist doch nur klein und diese liefert das Futter für die Kaninchen und sie sieht auch noch gut aus. Ich habe auch noch nie so ganz verstanden, warum viele Halter und Züchter den Kaninchenmist z.​B. zu einem Bauern fahren. Der Mist stellt doch wertvollen Dünger für den Garten dar. 

Rassekaninchenzucht hat viele Aspekte, die besonders bereichernd in ihrer Gesamtheit wirken. Kontinuierlicher Umgang mit den Tieren in Verbindung mit dem eigenen Anbau von Gemüse und ein paar Futterpflanzen, der Besuch von Ausstellungen, interessante Gespräche mit anderen Züchtern, die theoretische Beschäftigung mit der Zucht selbst und der Genetik und vieles mehr machen Rassekaninchenzucht aus. Eine in vieler Hinsicht lohnende Sache. Man muss eigentlich nur den Zugang dazu finden. Dies ist vielleicht heute schwieriger als in früheren Zeiten.